Otto Wichterle wurde am 27. Oktober 1913 im mährischen Prostějov / Proßnitz in eine wohlhabende Familie geboren. Sein Vater war Inhaber einer Firma, die seit den 1880er Jahren Landwirtschaftsmaschinen und später auch Autos herstellte. Der Sohn fühlte sich daher dem Maschinenbau eine Zeitlang sehr nah, doch als Studienfach wählte er dann doch lieber Chemie. 1936 promovierte er darin an der Technischen Hochschule in Prag. Danach begann er noch ein Medizinstudium, doch das musste er wegen des Zweiten Weltkriegs abbrechen.
Ab dem Jahr 1939 arbeitete er in die Forschungsabteilung der Bata – Werke in Zlin. In Zlín gelangte Wichterle dann auch wirklich zu seiner ersten Erfindung. Mit seinem Team entwickelte er die sogenannten Silon-Fasern. Dies war das tschechoslowakische Nylon, aus dem die ersten nahtlosen Strümpfe und Strumpfhosen für Frauen waren. Die Erfindung wurde aber geheim gehalten und gelangte erst zehn Jahre später in die Produktion.
Gleich nach Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte Wichterle zum Prager Institut für chemische Technologie zurück, um sein zweites Doktorat in organischer Chemie zu schreiben. 1949 wurde er dort zum ersten Professor und drei Jahre später zum Dekan ernannt.
Von 1952 an widmete er sich dem Studium hydrophiler Gele, die ihr Volumen bei Wasseraufnahme erweiterten. Bereits ein Jahr später beantragte er sein erstes Patent.
Seine nächste Arbeitsstelle fand Wichterle an der Akademie der Wissenschaften. Im Institut für makromolekulare Chemie setzte er seine Forschungen zur Verarbeitung von hydrophilen Gelen fort. Gemeinsam mit seinem Assistenten Drahoslav Lím gelang es ihm, das sogenannte polymere Hydrogel, kurz Hema, zu vervollkommnen. Aus diesem Material stellte er einige Jahre später die ersten weichen Kontaktlinsen her, und zwar 1961 in seiner eigenen Küche. Wichterle arbeitete oft auch zu Hause, weil sich der Aufbau eines neuen Gebäudes für das Prager makromolekulare Chemie-Institut hinzog. Aber nicht nur, dass er zu Hause arbeitete: Für die Erfindung der Kontaktlinsen konstruierte der Chemiker eine Apparatur aus dem tschechischen Metallbaukasten für Kinder „Merkur“. Den Antrieb lieferte der Dynamo vom Fahrrad seines Sohnes. In den ersten vier Monaten des Jahres 1962 stellte Wichterle rund 5000 Kontaktlinsen her.
Im Juli 1962 reiste Otto Wichterle nach London, um seine Kontaktlinsen dem bekannten britischen Augenarzt Harold Ridley zu zeigen. Ridley hatte 1949 als erster eine künstliche Linse im Auge eines Patienten implantiert.
Professor Wichterle stellte also als Erster auf der Welt moderne Kontaktlinsen her. Doch die politischen Verhältnisse in der damaligen Tschechoslowakei ermöglichten ihm leider keine entsprechende Karriere.